Wir haben mit vielen Begriffen eine bestimmte Assoziation. Fitness gehört bei den allermeisten Menschen sicherlich dazu.
Begegnet uns der Begriff, dann denken wir bewußt oder unbewußt an bestimmte Dinge, die oft mit Alter, Aussehen und Sportlichkeit zu tun haben.
Jung, dynamisch und erfolgreich sieht die lächelnd joggende Frau in der Anzeige aus. Kein Gramm zuviel und strahlend weiße Zähne.
Was ist falsch an dieser Vorstellung von Fitness?
Vielleicht ist falsch hier nicht der richtige Begriff, aber diese Vorstellung von Fitness geht einfach ein Stückchen zu weit... in Richtung Perfektion.
Kennst Du den Ausdruck "der Vergleich ist das, was unglücklich macht!"?
Wenn ich mich in dieser Vorstellung von JUNG und SCHÖN, SPORTLICH und ERFOLGREICH nicht wiederfinde, dann habe ich vielleicht ein grundsätzliches Problem mit dem Thema Fitness.
Wenn dem so ist, dann fehlt mir die Verbindung. Warum sollte ich einen Gedanken über meine Fitness verlieren? Ich bin nicht mehr jung, vielleicht habe ich schon Kinder oder Enkel bzw. könnte diese in meinem Alter locker haben.
Na, und?
Eine andere Vorstellung von Fitness
Wenn ich in meiner Praxis über Fitness spreche, dann erkläre ich meine Vorstellung davon gerne in einer Metapher:
Ich bin im Urlaub und sehe ein Schild, das für einen Schnupperkurs im Kite-Surfen wirbt oder für einen Ausflug auf einem Kamel.
Frage ich mich nun, ob ich dazu Lust habe oder verwerfe ich aufgrund meiner körperlichen Konstitution sofort jeden Gedanken daran?
Genau, ich überlege ob ich Lust, Höhenangst oder sonstiges habe. Sicherlich aber nicht, ob ich es schaffe in einen Neoprenanzug zu "steigen" oder gar auf den Rücken eines Kamels.
Ganz bewußt spreche hier nicht über Menschen mit akuten Schmerzen, denn dann wäre erst einmal eine Selbsttherapie in Betracht zu ziehen.
Ich rede darüber, ob ich mich im Stehen an- oder ausziehen, mir unterwegs im Stehen die Schuhe binden kann oder, ob ich mir erst ernsthafte Gedanken über die Treppe in den ersten Stock machen muss.
Du glaubst nicht, wie beschwerlich viele Patienten die Schuhe an- oder ausziehen und zwar nicht aufgrund ihrer Schmerzen sondern aufgrund ihrer mangelnden Beweglichkeit. Von dem Klettern auf die Behandlungsliege ganz zu schweigen. Altersunabhängig!
Alter ist kein Argument
Viele Patienten beziehen sich immer auf ihr Alter. In meinem Alter...
Jetzt kommt der Witz. Auf meine Frage, was ihm denn "fehlt", antwortet ein 42 jähriger allen Ernstes: "Ach, in meinem Alter tut einem ja dauernd irgendwas weh".
Wie war das vorhin mit Assoziationen bezüglich des Begriffes Fitness? Ähnliches gilt natürlich auch für das Alter.
In meinem Alter noch.... Ehrlich gesagt finde ich das immer sehr traurig und ich freue mich um so mehr, wenn ich Sportler der Altersklassen 70 oder 80 "auf der Liege" habe.
Eine über 80 jährige Patientin steht in meiner Praxis.
Mit durchgestreckten Beinen bindet sie sich
in einer Seelenruhe die Schuhe.
Das verstehe ich unter Fitness!
Fitness als Geschäftsmodell
Ich gebe zu, dass es uns leicht gemacht wird ein übertriebenes Bild von Fitness zu bekommen.
Egal ob im Fernsehen, Zeitungen und Zeitschriften, Internet oder Social Media, überall wird ein Bild von Fitness und Leistungsfähigkeit gezeichnet, welches natürlich nur mit der Nahrungsergänzung XY, dem Trainingsprogramm von Hans Dampf (bitte nicht nach ihm googeln) oder dem Equipment von "non-plus-ultra-bullshit" möglich ist.
Wir sehen uns nachher an, wie es ohne all das geht und was wirklich zählt.
Was ich Patienten antworte, wenn sie mich nach der perfekten Sportart fragen, das schauen wir uns in der nächsten Lektion an.